Zielgruppen

Dr. Matthias Schwarz aus Hall schildert hier seine Gedanken zur Frage der Zielgruppen für die geplante Seilbahn über die Kalkkögel. Er kennt das Gebiet alpinistisch im Sommer und im Winter. Da er das letzte Jahr in Hamburg verbracht hat, ergab sich die Möglichkeit, die ganze Kalkkögelgeschichte von außerhalb – auch mit Stimmen aus Hamburg – zu betrachten.

 

Mögliche Zielgruppen – am Beispiel Hamburg

Hamburg hat den grössten Skiclub Deutschlands. Es gehen im Winter Direktflüge nach Tirol – und sehr viele meiner ArbeitskollegInnen machen mehrmals davon Gebrauch. Also genau die Zielgruppen, die der Brückenschlag ansprechen soll. Die Hamburger haben keine Ahnung von ÖVP, Grünen, koalitionsfreiem Raum, Brückenschlag etc., aber eine klare Vorstellung ihrer Urlaubsinteressen. Ich will deshalb die Skifahrer in Deutschland grob in vier Gruppen einteilen:

► Gruppe 1: Die leistungsbezogenen Skifahrer. Mit Racecarvern werden Höhen- und Pistenkilometer abgespult und die GPS-Tracks am Abend per ePhone verglichen. Nach der Hetzerei über alle Lifte und Pisten wird noch schnell ein Weizenbier mit montiertem Rückenprotektor vernichtet, die ganze Action wird von einer GoPro verewigt.

► Gruppe 2: Die Freeride-Freaks. Ab in die Natur in den hüfthohen Powder, komme was wolle. Lifte nimmt man gern in Anspruch, um die Wadeln zu schonen, danach soll aber möglichst unverspurte Wildnis folgen. Auch in dieser Gruppe ist die Ausrüstung kein Problem – die Absatzzahlen von Freerideski und Lawinenairbags sprechen eine deutliche Sprache.

► Gruppe 3: High Society und Après-Ski. Skifahren ist sekundär – Prost! Und wenn die Reichen und Schönen auch dort sitzen, umso besser.

► Gruppe 4: Familien mit Schneeaffinität. Schön, wenn die Kinder das Skifahren schon früh lernen, am besten mit Skilehrer. Und Mama und Papa in der schönen Tiroler Winterlandschaft auch noch ein paar Schwünge ziehen können.

 

Welche Gruppe sollen jetzt die neuen Seilbahnen ansprechen?

► Gruppe 1? Hatte schon zwanzig Mal Sellaronda, den Weissen Ring, Engelberg und St. Moritz. Können Schlick und Lizum da mithalten?

► Gruppe 2? Die Kalkkögel sind ja an sich schon ein traumhaftes Freeriderevier… Der Brückenschlag geht aber in der Gondel vorne rauf und hinten in der Gondel wieder runter. Das Freeridepotential bleibt also +/- gleich. Wer viel Tiefschnee will, muss halt selber latschen. Damit haben aber die wenigsten ein Problem. Und die, die ein Problem damit haben, fahren eben auf den Arlberg.

► Gruppe 3? Ohne jetzt die Gastronomie in Axams oder im Stubaital angreifen zu wollen – aber wer schon mal in Ischgl, Stanton oder St. Moritz unterwegs war, weiß, was ich meine. Und der Promifaktor auf Hoadl und Kreuzjoch …

► Gruppe 4? Käme meiner Meinung nach am ehesten als Zielgruppe in Betracht. Da allerdings die Lifttickets, Hotels und Restaurants am Berg immer teurer werden (oder macht der Brückenschlag alles billiger?), überlegen diese Familien immer mehr, ob sie nicht auf einen Wanderurlaub nach Mallorca oder Madeira fliegen. Ist auch gesund, weniger verletzungsanfällig – und kostet die Hälfte.

Somit wird’s eng für die deutschen Zielgruppen. Also doch eher für die Einheimischen? Irgendwie blöd, dass die sich auch in fast die gleichen Zielgruppen einteilen lassen.

Es wird wohl andere Projekte brauchen – Projekte mit mehr Natur, mehr Weitblick und zu günstigeren Konditionen. Deutschland hat ähnliche Diskussionen hinter sich, ob Elbphilharmonie, Bahnhof Stuttgart oder – hochaktuell – der Brückenschlag von Altona quer über den Hamburger Hafen zu den Musicalhallen. Aufgrund der negtiven Erfahrungen werden mittlerweile die Bürger in Entscheidungen miteinbezogen. Und was die Bürgerabstimmung zur Seilbahn in Hamburg ergeben hat, kann man tagesaktuell googeln.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Schwarz

P.S.: Naturschutzgesetze für Bauprojekte ändern zu wollen, wäre in Hamburg politischer Selbstmord.