Pfarrer Karlheinz Baumgartner

Naturschutzbeauftragter der Diözese Innsbruck

Microsoft Word - karlheinz baumgartner foto.docLasst in Frieden weiterleben, was noch nicht »untergetan« wurde: Das Isel-Tal zum Beispiel, das hinterste Kaunertral, das Inntal im „Oberen Gericht“, den Obernberger See – viele bedrohte Kunstwerke aus der Hand des Schöpfers – und ganz besonders die herrlich–urtümlichen Landschaften, die ihre Krönung in den Kalkkögeln finden!

Naturräume, wie Gott sie schuf, wecken den Menschen, der sie erlebt, zu jener hellhörigen Aufmerksamkeit, die alles unwichtig Alltägliche zum Schweigen bringt, alle wichtigtuerische Arroganz kräftig dämpft. Die Bergsteiger, die begonnen hatten, unsere Alpengipfel zu besteigen – bei uns im Lechtal waren das meistens junge Intellektuelle aus dem süddeutschen Raum – versuchten in ihren Tagebüchern festzuhalten, wie sehr die Majestät der Berge sie beeindruckte. Die mythische Urgewalt der alpinen Welt erfasste ihre Sinne und ihren Geist. Heutzutage ist so tiefes Erleben nicht etwa erloschen. Vier Pfadfinder waren bei uns über Nacht – restlos begeistert vom Lechweg!

Und unseren von so viel Schönheit rundum verwöhnten Einheimischen traue ich schon trotzdem auch zu, dass sie nicht einverstanden sind, wenn sie erdulden müssen, dass Natur-Verschandelungen ihnen besonders liebe Plätze ruinieren! Andere Täler sind leider noch viel stärker als unseres durch brutale technische Erschließungen und peinlichen Kitsch verdemütigt. Ins ganze Land Tirol – und drüber hinaus in die ganze Welt geschaut – und für sie in die Zukunft vorausgedacht, wird einem allerdings bang! Jahr für Jahr fallen weltweit mit eiserner Konsequenz wunderbare Landschaften sozusagen unter den Hammer – als scheinbar unvermeidbare Opfer für die Wirtschaft. Die also losgetretene Entwicklung halten leider viele Verantwortliche in der Politik und in der Wirtschaft für schlechterdings unumkehrbar! Eigentlich müsste ihr Ehrgeiz darin bestehen, den Fatalismus fahren zu lassen und taugliche Alternativen für die notwendige Geldbeschaffung zu finden. Kommt keine verantwortungsbewusste Umkehr, dann werden heuer und nächstes Jahr und übernächstes Jahr wieder Schaufelbagger riesige Flächen fruchtbaren Bodens aufgraben, damit sie alsbald unter Beton und Asphalt-Decken für immer verschwinden. Jeder weiß natürlich, dass das so nicht endlos weiter gehen kann.

Lebendige Flussläufe geraten in Stagnation. Stille Berge und Täler – uralte, verträumte Landschaften sollen moderne Freizeit-Parks werden! Dank gewaltig viel Eisens und kalten Betons, die in die traute Landschaft gekarrt werden, um „Aufstiegshilfen“ in Almböden rammen zu können, Trassen für Straßen und Parkplätze bereit zu machen, damit schlussendlich betuchten Feriengästen ein billig verkostbares Vergnügen geboten werden kann! Damit die Natur im schnellen Blick erhaschbar wird, werden sie selber aus Menschen zu Kameras, süchtig nach „Motiven“, die sie sich schnell einverleiben können – womöglich in 3-D-Technik!

„Die schönsten Zeiten unseres Lebens waren die, die wir im Birchetsgump, im Bockbach und im Krabach verbringen durften!“ Das sagen meine Altersgenossen im hinteren Lechtal. Ihre Kinder und Enkel können sich dort immer noch glücklich fühlen. Anderswo freilich sind so heile Plätze leider schon Vergangenheit!   Almen in überwältigend schönen Talschlüssen, wo sie  Kleinhirten und Hirten waren, sind für die Bewohner so mancher Alpen-Regionen seltsam fremd geworden. In ihrem Inneren noch so gespeichert, wie sie waren, sind sie heute nicht mehr die unerschöpflichen Quellen für immer wieder neue, selber gefundene Bilder und Geschichten – sondern programmierte Erlebniswelten.

Man wird unsereinem vorhalten: „Ihr Verhinderer lasst uns verkümmern!“ Sicher nicht! Schaden will Euch der Naturschutz bestimmt nicht. Er will Euch unendlich wertvolle Güter erhalten – Werte, ohne die Ihr Eure Identität verliert!