Rechtliche Fakten und Programme lassen Erschließung der Kalkkögel nicht zu

Obwohl das Tiroler Naturschutzgesetz, das internationale Vertragswerk der Alpenkonvention, das Tiroler Seilbahn- und Schigebietsprogramm 2005 (Evaluierung 2011) und der Raumordnungsplan des Landes Tirol eine Erschließung über die Kalkkögel verbieten, wird von der „ARGE Brückenschlag“ weiterhin munter darauf losgeplant und die rechtlichen Aspekte völlig ausgeblendet. Sollte die Tiroler Landespolitik und hier insbesondere die ÖVP diese Anlassgesetzgebung unterstützen, würde dies nicht nur die Glaubwürdigkeit der Politik in ihren Grundfesten erschüttern, es wäre auch eine endgültige Bankrotterklärung für den Naturschutz in Tirol und ein Anschlag auf die österreichische Rechtsstaatlichkeit sowie auf das demokratische Verständnis. Die Tiroler Landespolitik muss diesen Erschließungsplänen durch das Ruhegebiet Kalkkögel deshalb so schnell wie möglich einen endgültigen Riegel vorschieben und den Betreibern unmissverständlich klar machen, dass eine Erschließung der Kalkkögel aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist.

 

Ruhegebiete

Tirol ist die Geburtsstätte des alpinen Planungsinstrumentes der Ruhegebiete/-zonen und wurde Mitte der 1970er-Jahre als fixer Bestandteil der Alpinen Raumordnung im Tiroler Naturschutzgesetz verankert. Von 1981 bis 2000 wurden in Tirol 8 Ruhegebiete von der Tiroler Landesregierung verordnet. Der Status eines Ruhegebietes ist eine besondere Schutzgebietskategorie, die nur in Tirol und sonst in keinem anderen österreichischen Bundesland zu finden ist. Ruhegebiete sind Planungsinstrumente, die einerseits eine wichtige Funktion von Endausbaugrenzen erfüllen und andererseits Zukunftsräume für die naturnahe Erholung, den Alpintourismus und den Naturschutz darstellen.

Kalkkoegel_Panorma_Schigebiete

Das Ruhegebiet „Kalkkögel“ (LGBl. Nr. 56/1983)

Bevor jedoch die Kalkkögel in einer Größe von 77,7 km² als Ruhegebiet ausgewiesen wurden, erfolgte im Vorfeld eine intensiven Befassung der Gemeinden – auf deren Gebiet sich das geplante Schutzgebiet erstreckt -, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol, der Wirtschaftskammer, der Landeslandwirtschaftskammer, der Tiroler Raumordnungskonferenz, der Beratungsorgane für die Raumordnungsangelegenheiten der Bezirke oder Planungsräume, des Naturschutzbeirates und des Militärkommandos. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass es seitens der Gemeinden Axams (07.10.1980), Neustift (08.10.1980) und Telfes (14.10.1980) gegen den damaligen Verordnungsentwurf keinerlei Einwände gegen die Ausweisung der Kalkkögel als Ruhegebiet gegeben hat. Erst nach der Einholung aller Stellungnahmen, erfolgte im Jahre 1983 die Unterschutzstellung durch die Tiroler Landesregierung.

Ruhegebiete sind keine Verhinderungsinstrumente, sondern ein wichtiges Planungs- und Ordnungsinstrument und erfüllen aufgrund ihrer Inhalte eine wichtige Funktion von Endausbaugrenzen und sichern damit wichtige Zukunftsräume für die naturnahe Erholung, den Alpintourismus und für den Naturschutz.

Verboten sind in Ruhegebieten hingegen:

  • die Errichtung von lärmerregenden Betrieben;
  • die Errichtung von Seilbahnen für die Personenbeförderung und von Schleppliften;
  • der Neubau von Straßen mit öffentlichen Verkehr;
  • jede erhebliche Lärmentwicklung, besonders durch den Betrieb von Lautsprechergeräten;
  • die Durchführung von Außenlandungen und von Außenabflügen

Für die ortsübliche Land- und Forstwirtschaft besteht in einem Ruhegebiet keine Einschränkung!

Trotz mehrmaliger Novellierungen des Tiroler Naturschutzgesetzes (zuletzt 2005), stand die Hinterfragung der Verbotsinhalte von Ruhegebieten nie zur Debatte.

Weitere Informationen: www.tiroler-schutzgebiete.at/schutzgebiete/ruhegebiete.html

 

Die Alpenkonvention

ist ein internationales Abkommen, das die Alpenstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Monaco, Österreich, Schweiz und Slowenien) sowie die EU verbindet. Sie zielt auf die nachhaltige Entwicklung des Alpenraums und den Schutz der Interessen der ansässigen Bevölkerung ab und schließt die ökologische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Dimension ein. Die Rahmenkonvention ist 1995 in Kraft getreten.

AK_AbgrenzungDie Durchführungsprotokolle sind das Herzstück der Alpenkonvention. Sie bilden separate Vereinbarungen und beinhalten konkrete Bestimmungen zur Umsetzung der Ziele in den Fachbereichen Berglandwirtschaft, Tourismus, Raumplanung und nachhaltige Entwicklung, Verkehr, Naturschutz und Landschaftspflege, Bergwald, Bodenschutz und Energie. In Österreich hat die Alpenkonvention mit ihren Durchführungsprotokollen im Jahre 2002 Rechtskraft erlangt und wurden daraufhin in den Bundesgesetzblättern der Republik Österreich veröffentlicht.

Weitere Informationen: www.alpconv.org

Durchführungsprotokoll „Naturschutz und Landschaftspflege“

Österreich und das für Naturschutz zuständige Bundesland (in diesem Fall Tirol) sind verpflichtet, bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten und alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden. So steht es im Artikel 11 „Schutzgebiete“ im Protokoll Naturschutz und Landschaftspflege. Seit dem 25. November 2010 liegt von Seiten der Rechtsservicestelle Alpenkonvention eine eindeutige Stellungnahme vor die besagt, dass die Verpflichtung zur Erhaltung, Pflege und allfälligen Erweiterung besteht. Schon allein deshalb ist das Vorhaben nicht umsetzbar. Außerdem widersprechen auch andere Protokolle gegen das Vorhaben.

Durchführungsprotokoll „Tourismus“

Nicht nur das Durchführungsprotokoll „Naturschutz und Landschaftspflege“ muss beim Seilbahnerschließungsprojekt über die Kalkkögel zur Anwendung kommen, sondern auch das Protokoll „Tourismus“ Art. 10 „Ruhezonen“. Darin heißt es unmissverständlich, dass sich „Die Vertragsparteien verpflichten, gemäß ihren Vorschriften und nach ökologischen Gesichtspunkten Ruhezonen auszuweisen, in denen auf Erschließung verzichtet wird.“ Auch hier besagt die Verpflichtung über die Ausweisung von Ruhezonen deutlich, dass eine Erschließung nicht möglich ist.

Durchführungsprotokoll „Raumplanung und nachhaltige Entwicklung“

Deutlich besagt Art. 9, Abs. 4 lit b, „dass eine Ausweisung von Ruhezonen und sonstigen Gebieten, in denen Bauten und Anlagen sowie andere störende Tätigkeiten eingeschränkt oder untersagt sind.“ Aus der Verpflichtung im Rahmen der Raumordnung Ruhezonen (in diesem Fall Ruhegebiete) auszuweisen, ergibt sich zwangsläufig auch die Verpflichtung die notwendigen rechtlichen Maßnahmen zu ergreifen und sich für deren Erhalt einzusetzen.

Durchführungsprotokoll Protokoll „Bodenschutz“

Für den geplanten Zusammenschluss Mutterer Almbahn – Axamer Lizum soll der geplante Skiweg zwischen Birgitz Alm und Axamer Lizum durch sehr labiles bzw. rutschgefährdetes Gebiet geführt werden. P1160047Das belegen die zahlreichen Quellaustritte, der zumeist nasse und schlammige Wanderweg, der Säbelwuchs von Bäumen und die in einem Abschnitt gesperrte Landesstraße in die Axamer Lizum. Auch die geplante Erschließung von Neustift i. St. auf das Sennjoch über die „Goldsuttn“ weist sehr labile Hänge auf. Da die Alpenkonvention in Österreich geltendes Recht ist, muss in diesem Fall das Bodenschutzprotokoll „Auswirkungen touristischer Infrastrukturen“, Art. 14, Pkt. 1, Anstrich 3 zur Anwendung kommen. Darin heißt es, dass „Genehmigungen für den Bau und die Planierung von Skipisten in Wäldern mit Schutzfunktionen nur in Ausnahmefällen und bei Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen erteilt und in labilen Gebieten nicht erteilt werden“.

RSS_Alpenkonvention_Stellungnahme_Kalkkögel_25102010

Ständiges Sekretariat der Alpenkonvention bekräftigt Ablehnung

Auch der ehem. Generalsekretär der Alpenkonvention, Marco Onida, bekräftigt in seinem Schreiben vom 12. Jänner 2011, dass „ … eine Aufhebung oder wesentliche Änderung der Grenzen des Ruhegebietes voraussetzen, stünde dies nicht im Einklang mit der genannten Bestimmung des Naturschutzprotokolls der Alpenkonvention und würde den von Österreich eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen widersprechen …“. Diese Aussage untermauert damit die Auslegung der Rechtsservicestelle Alpenkonvention vom 25.10.2010.

Schreiben_Alpenkonvention_RG_Kalkkögel_12012011

 

Neuorientierung der Seilbahnpolitik – Seilbahngrundsätze und Seilbahnprogramm

Die in den 1980er-Jahren vorangetriebenen hemmungslosen Erschließungsprojekte in Tirol, haben von 1989 bis 1992 zu einer „Nachdenkpause“ und in weiterer Folge zu einer „Neuorientierung der Tiroler Seilbahnpolitik“ geführt. Als Ergebnis verordnete die Tiroler Landesregierung erstmals im Jahre 1992 das Sachbereichsprogramm „Seilbahngrundsätze des Landes Tirol“. Im Jahre 1996 folgte eine Überarbeitung der Seilbahngrundsätze, wobei diese erstmals auch das Instrument der Endausbaugrenzen beinhalteten. Fünf Jahre später, im Jahre 2000, wurden die Tiroler Seilbahngrundsätze neuerlich um 5 Jahre verlängert. 2005 wurden die Seilbahngrundsätze vom Tiroler Seilbahn- und Schigebietsprogramm abgelöst und von der Tiroler Landesregierung verordnet. Die Gültigkeitsdauer wurde von 5 auf 10 Jahre erweitert. Das vom Amt der Tiroler Landesregierung/Abt. Raumordnung-Statistik erarbeitete Raumordnungsprogramm betreffend Seilbahnen und schitechnische Erschließungen wurde im Vorfeld mit der Untergruppe „Seilbahnkonzept“ des Raumordnungsbeirates (dieser gehören Sozialpartner, NGOs, Seilbahnbetreiber, Raumplaner, usw. an) diskutiert und nach deren Zustimmung von der Tiroler Landesregierung verordnet. Im Jahre 2011 erfolgte unter Einbindung des „Raumordnungsbeirates“ die erste Evaluierung. Von der Seilbahnwirtschaft kamen im Zusammenhang mit Erschließungsverboten in Schutzgebieten keinerlei Einwände.

 

Tiroler Seilbahn- und Schigebietsprogramm 2005

Die Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 12. Juli 2011, mit der das Tiroler Seilbahn- und Schigebietsprogramm 2005 geändert wurde (LGBl. 63/2011), sieht unter § 5 „Ausschlusskriterien zur Wahrung der Interessen des Naturschutzes“ vor, dass eine Erweiterung bestehender Skigebiet nicht zulässig ist, wenn Nationalparkflächen oder Flächen in Gebieten in Anspruch genommen werden, die durch eine Verordnung aufgrund des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 (LGBl. Nr. 26/2005) zu geschützten Gebieten erklärt worden sind. Das Ruhegebiet Kalkkögel in einer Größe von 77,7 km² wurde von der Tiroler Landesregierung im Jahre 1983 verordnet, womit eine Genehmigung rechtlich ausgeschlossen ist.

 

Raumordnungsplan des Landes Tirol – ein Programm als wichtiger Wegweiser

Der von der Tiroler Landesregierung im Jahre 2010 beschlossene Raumordnungsplan „Raumverträgliche Tourismusentwicklung“ hat zwar keinen Rechtsstatus, stellt aber dennoch ein wichtiges Signal dar, wie das Land Tirol die Beziehung zwischen „Tourismus und Natur/Landschaft/Naturgefahren“ zukünftig sieht. Der Raumordnungsplan fordert die Respektierung von Schutzgebieten angesichts der fortschreitenden Technisierung sowie des weltweit rasch zunehmenden Verlusts naturnaher Bereiche. Diese Gebiete sind daher auch touristisch von großem Wert (Amt der Tiroler Landesregierung/Abt. Raumordnung-Statistik 2010). Daher gilt der Erhalt insbesondere einer landwirtschaftlich gepflegten Kulturlandschaft, den Almen, naturnahen Fließgewässern und Seen, naturnahen Waldbereichen, talnahe Wälder bestimmter Eigenart, markante Felsgebilde und Schluchten, landschaftsprägende Elemente und landschaftsprägende Freiräume. Auch Randzonen die ein Gefährdungspotenzial aufweisen werden in den Raumordnungsplan miteinbezogen.

Viele dieser aufgelisteten Punkte treffen auf die Kalkkögel zu. Es wäre deshalb nicht nachvollziehbar, würde die Tiroler Landespolitik ihre eigenen Gesetze, Verordnungen und Programme über Bord werfen.